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Die Tageszeitung
Die Opferfalle–In der „muslimischen Welt“ gibt es ein gängiges Narrativ, und das geht so: Der Aufstieg des Westens begann im 18. Jahrhundert und dauert seitdem an. Dank der industriellen Revolution konnte er andere Länder kolonialisieren, und auch der Zerfall des Osmanischen Reiches zum Ende des Ersten Weltkrieges spielte ihm in die Hände. (16 January 2015)
Lesen und Lesen Lassen — Natürlich kostet taz.de Geld. Dennoch soll niemand dafür bezahlen, wenn er nicht kann. Denn wir sind der Überzeugung, dass Nachrichten und Informationen frei zugänglich bleiben sollen. Das sehen Sie auch so? (25 July 2014)
Politik frisst Ideal — Die Entführung der mehr als 200 Mädchen im Nordosten Nigerias hat die Welt schockiert. Für Kenner des Landes bestätigt sie, dass die „islamische“ Revolution in einem Land mit einer riesigen islamischen Gemeinde gescheitert ist. Bleibt zu hoffen, dass mit ihr auch die Korruption untergeht. (15 June 2014)
Oh, “New York Times!” — Ich liebe es, im Flugzeug zu schreiben. Ich liebe die anonyme Umgebung und einfach nur eine unter vielen zu sein – im Strudel von Sprachen und Kulturen. Wie ich leben heute einige mit jedem Bein in einer anderen Kultur und Sprache, wechseln nahtlos von einem sozialen Code in den nächsten, auch wenn sie widersprüchlich sind, und genießen die Vorzüge der unterschiedlichen Denk- und Verhaltenssysteme. (9 May 2014)
Wir Haben Zeit — Keine Frage: Ägypten weist heute alle Zeichen einer Konterrevolution auf: Journalisten werden inhaftiert (wenngleich Anfang der Woche 60 politische Gefangene entlassen wurden), abweichende Meinungen zum Teil brutal unterdrückt, und über all der Repression schwebt eine Wolke der Fremdenfeindlichkeit. (10 February 2014)
Macht un Selbskritik –Der Prozess gegen Mursi hat begonnen und er macht die Archillesferse bei Militär und Islamisten sichtbar. Der Prozessautakt verlief alles andere als glatt. Immer wieder fragten sich die vom Prozess ausgeschlossenen Kommentatoren vor laufender Kamera: Warum wurden keine Medienvertreter zugelassen? Hatte Mursi ordentlichen Zugang zu seinen Anwälten? (11 November 2013)
Das Empire stürzt in Schottland — Diejenigen von uns, die für gewöhnlich ihre Aufmerksamkeit anderen Gegenden der Welt widmen – meine gilt, wie die Leser dieser Kolumne wissen, normalerweise dem Nahen Osten und besonders Ägypten –, dürften kaum die Details des Act of Union kennen, der 1707 Schottland mit England vereinigte. Dreihundertsieben Jahre danach, am 18. September 2014, wird die schottische Bevölkerung in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit abstimmen. (27 May 2013)
Mittelmäßige Muslimbrüder — Während ich dies schreibe, ist eine koptische Kathedrale in Kairo während einer Beerdigung von maskierten Bewaffneten angegriffen worden. Noch vor einem Jahr hätte ich nicht geglaubt, dass ich jemals einen solchen Satz über Ägypten schreiben würde. Natürlich hat es seit langem Attacken auf religiöse Minderheiten gegeben – etwa den schrecklichen Angriff auf die Kirche in Alexandria an Silvester 2010. Aber maskierte Bewaffnete, die mit Schnellfeuergewehren während einer Beerdigung um sich schießen? Das waren Probleme, die wir bisher aus dem Irak nach der US-Invasion oder aus Pakistan kannten. (14 April 2013)
Heldinnen werden gelöscht — In Dantes „Göttlicher Komödie“ gelingt den Dichtern ihre Flucht aus der Hölle kurz vor Ostern im Jahr 1300. Cato von Utica – der Hüter des Tors zum Fegefeuer – betrachtet sie zunächst als eine Art unfreiwillige Flüchtlinge und fordert von ihnen Beweise für ihre Schuld. Erst dann dürften sie sich im Fegefeuer von ihren Sünden reinigen. Die Dichter fügten sich und fanden sich bald am Fuß vom Berg des Fegefeuers wieder und schickten sich an, diesen hinaufzuklettern. (18 January 2013)
Panik und Erlösung — Auf eine Sache können wir uns bestimmt problemlos einigen: In Ägypten gab es im Januar/Februar 2011 eine Revolution gegen eine Militärdiktatur. Besagte Militärdiktatur bestückte Ägyptens Justiz, die Armee, den staatlichen Geheimdienst und diverse Berufsverbände mit ihren Gefolgsleuten. Alle zusammen bildeten das, was Politologen einen „Staat im Staat“ nennen. Über den Rest müssen wir reden. (12 May 2012)
Wo ist der arabische Traum? — Seit Monaten beobachte und analysiere ich täglich die ägyptische Politik. Und jetzt – bin ich mit den Nerven fertig. Es wird so viel geredet und so wenig zugehört. So viele Leute haben eine Meinung und keiner kümmert sich darum, wie wir besser zusammenarbeiten können. Die Arabellion ist wirklich in großen Schwierigkeiten. (26 October 2012)
Ägypten nicht verstehen — Kürzlich war ich in Kairo zum Abendessen bei jungen Liberalen eingeladen. Es dauerte nicht lange, und unser Gespräch drehte sich um die Rede von Präsident Mursi Anfang September im Iran. Meine Gastgeber zeigten sich für ihr Alter ungemein erfahren und liefen zur verbalen Höchstform auf. Sie gehörten der Gruppe linker Führungsfiguren an, und sie waren, anders als die meisten Ägypter, keineswegs beeindruckt von Mursis Auftritt im Iran.(21 September 2012)
Zahlen für Wörter? — Die überraschende Entlassung von Feldmarschall Hussein Tantawi, dem Vorsitzenden des Militärrats, durch Präsident Mohammed Mursi, hat zum ersten Mal in der Geschichte Ägyptens eine zivile Kontrolle über das Land möglich gemacht. Obwohl dies eine gute Nachricht für alle Unterstützer der Demokratie sein müsste, ängstigen sich viele Ägypter vor Mursis Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, dem politischen Arm der Muslimbruderschaft. (19 August 2012)